Ernest Biéler 1863 - 1948

Zwei junge dunkel gekleideten Frauen, wohl Freundinnen, sind unterwegs in den verwinkelten Gassen eines Walliser Dorfes. Beide haben sie ihre Haarpracht je unter einem grossen weissen – teils dezent mit Webmustern dekorierten – Kopftuch versteckt, wobei sich die quirligen Locken der hinten Stehenden nicht ordentlich bändigen lassen. Sie tuscheln, sind ganz auf den Austausch von Heimlichkeiten konzentriert. Welches ihr Gesprächsgegenstand ist muss Spekulation bleiben, doch mag der Mistelzweig Indiz sein: Sind es Liebeshändel, die hinter vorgehaltener Hand erörtert werden. Ernest Biéler versteht es durch seine Nahsicht, den intimen Moment zeitlos im Bild zu speichern. Klassisch streng behandelt er die Physiognomie der Frauen und verleiht ihnen eine statuarische Würde. Bei allen individuellen Merkmalen der Protagonistinnen können sie auch als Metapher für das Geheimnis schlechthin gelesen werden, abgeschirmt von der Öffentlichkeit durch geschichtete Mauern und dem dichten Strickbau der rückwärtigen Architektur.