Lot 44
  • 44

Ferdinand Hodler

Estimate
600,000 - 800,000 CHF
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Description

  • Ferdinand Hodler
  • Der Mont-Blanc am frühen Morgen, 1918
  • Rückseitig Echtheitsbestätigung von Berthe Hodler, 24. März 1924:  Je soussignée, Berthe Hodler, née Jacques, certifie que la peinture ci-contre est de la main de mon mari Ferdinand Hodler, de son vivant domicilié à Genève. Berthe Hodler.
  • Öl auf Leinwand
  • 60 x 121 cm

Provenance

Berthe Hodler-Jacques, Genf (1918-1924)
evtl. Willy Russ-Young, Neuenburg
Christie's, Zürich, 25.3.2002, Nr. 57 (Mont-Blanc, Studie, um 1918)

Exhibited

New York, Neue Galerie, Ferdinand Hodler - View to Infinity, 2012-2013, Nr. 40
Riehen, Fondation Beyeler, Ferdinand Hodler - View to Infinity, 2013, Nr. 40

Literature

Werner Y. Müller, Die Kunst Ferdinand Hodlers. Gesamtdarstellung. Band 2. Reife und  Spätwerk 1895-1918, Zürich 1941, Nr. 581 (Dent du midi, 1916)
Paul Müller, "Einführung", in: Die Sammlung Max Geldner im Kunstmuseum Basel. Vermächtnis und Ankäufe der Stiftung, Basel  2000, S. 140-174, S. 174, Anm. 3 (Dents du Midi, 1916)
Jura Brüschweiler, "Le chant du cygne de Ferdinand Hodler. Essai sur la relation entre œuvres peintes et témoignages écrits", in: Ferdinand Hodler et Genève. Collection du Musée d’art et d’histoire Genève, Ausstellungskatalog, Genf 2005, S. 93, S. 94, Nr. 26, abgebildet (in Farbe) (Le Sommet du Mont-Blanc, étude, 1918)
Anna Stoll, "Korrigieren und Überarbeiten. Über Ferdinand Hodlers Arbeitsprozesse", in: Kunsttechnologische Forschungen zur Malerei von Ferdinand Hodler, hrsg. Karoline Beltinger, Zürich 2007, S. 71, 94, Nr. 84 und 85, abgebildet (in Farbe) (Der Mont-Blanc am Morgen, um 1916)
Oskar Bätschmann/Paul Müller, Ferdinand Hodler, Catalogue raisonné der Gemälde, Die Landschaften, Bd. II, Zürich 2008, S. 463, Nr. 598, abgebildet (in Farbe)
Neue Galerie/Fondation Beyeler, Ferdinand Hodler - View to Infinity, Ausstellungskatalog, New York/Riehen/Ostfildern 2012, S. 138, Nr. 40, abgebildet (in Farbe)

Condition

Minor abrasions to the upper and lower right as well as the lower left corner. Minor retouching visible under uv-light to the upper left. Very good condition.
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Catalogue Note

Ende 1913 bezog  Hodler eine Wohnung am Quai du Mont Blanc 29 in Genf. Bereits im folgenden Jahr malte er unweit davon eine Reihe von Werken, die zunächst den Genfersee und den Mont Salève ins Visier nahmen. Doch bald weitete sich sein Blickwinkel und er zog neben dem Salève auch das Mont-Blanc-Massiv und den Môle in der Ferne bis zu den Ausläufern der Voirons am linken Bildrand in die Komposition mit ein. An dieses Panorama knüpfte der Künstler vier Jahre später an, als die Folgen einer Lungenentzündung ihm nicht mehr erlaubten, im Freien zu arbeiten und er sich im Loggiazimmer seiner Wohnung ein Atelier einrichten liess. In den wenigen Monaten, die ihm bis zu seinem Tod am 19. Mai 1918 noch vergönnt waren, schuf er knapp 20 Ansichten des Genfersees mit Blick auf den Mont-Blanc. Einige Werke zeigen die im Nachmittagslicht hell aufleuchtenden Schneeberge unter einem kaltblauen Winterhimmel; die Mehrzahl jedoch halten die atmosphärischen Stimmungen kurz vor dem Sonnenaufgang fest. Der jenseitige Uferstreifen und die Bergkette erscheinen hier als dunkelblaue Silhouette unter einem gelb bis rosa getönten Himmel; die Farben von Gelände und Himmel sind in vielfacher Spiegelung  im See wiederholt. Die Kompositionen dieser letzten Landschaften Hodlers bestehen aus bildparallelen Streifen ohne seitliche Begrenzungen. Diese "Entgrenzung" evoziert beim Betrachter das Gefühl kosmischer Weite. Das über dem Horizont aufgehende Licht und die komplementären Farben Blau und Gelb unterstützen den Eindruck, mit dem "Unendlichen" konfrontiert zu sein. Dieser Aspekt der Transzendenz weist auch das hier zur Auktion kommende Gemälde "Der Mont-Blanc am frühen Morgen" auf. Gelb bzw. Gold als Farbe des Lichts wurde schon seit dem Mittelalter mit dem Göttlichen in Verbindung gebracht. Seine Leuchtkraft erfährt hier durch den Kontrast mit Blau, der Farbe der Transzendenz und Spiritualität, eine Steigerung. Anstelle des weiten Blicks über den See fokussiert hier Hodler gleichsam mit dem Teleobjektiv direkt auf das Bergmassiv, ein Verfahren, das er auch schon bei einigen in Crans-Montana geschaffenen Werken anwandte. Das Gemälde wirkt wie ein Ausschnitt aus dem stilistisch eng verwandten Gemälde "Genfersee mit Mont-Blanc und Schwänen" (Musée d’art et d’histoire, Genf). Bei beiden Gemälden wählte Hodler das breite Bildformat im Verhältnis 1:2, um den Panoramaeindruck zu verstärken. Mit kraftvollen, expressiven Pinselstrichen skizzierte Hodler Gebirge und Himmelszone, die das Bildgeviert ungefähr hälftig teilen. Wie kunsttechnologische Untersuchungen gezeigt haben, setzte der Maler den Horizont ursprünglich höher an. Die Änderung bewirkte eine stärkere Gewichtung der Himmelszone, somit eine intensivere Assoziation des "Unendlichen". Obwohl die Gesetze der Linear- und der Farbperspektive hier nicht spielen, bewirkt das hinter dem Gebirge aufsteigende Licht einen Tiefensog in den Welt-Raum. "Der Mont-Blanc am frühen Morgen" ist ein sprechendes Beispiel für Hodlers Absicht, am Ende seines Lebens seiner Landschaftsmalerei neue Impulse zu geben, so wie er es dem Schriftsteller Johannes Widmer anvertraute: "[…] Andere Landschaften als bisher werde ich malen, oder doch die bisherigen anders. Sehen Sie, wie da drüben alles in Linien und Raum aufgeht? Ist Ihnen nicht, als ob Sie am Rand der Erde stünden und frei mit dem All verkehrten? Solches werde ich fortan malen!"

Wir danken lic. phil. Paul Müller, Projektleiter Catalogue raisonné der Gemälde Ferdinand Hodlers, Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft SIK-ISEA, für den Textbeitrag.