ZH1306

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Lot 23
  • 23

Giovanni Giacometti

Estimate
200,000 - 300,000 CHF
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bidding is closed

Description

  • Giovanni Giacometti
  • Vorfrühling in Stampa, 1911
  • Unten rechts monogrammiert und datiert; rückseitig signiert, datiert und bezeichnet Stampa
  • Öl auf Leinwand
  • 51 x 70.5 cm

Provenance

Galerie am Stadelhofen, Zürich (Nachlass Giovanni Giacometti)

Exhibited

Genf, Galerie Amann, Giovanni Giacometti. Peintures, aquarelles, dessins, 1941, Nr. 26 (Stampa)
Zürich, Galerie am Stadelhofen, Giovanni Giacometti, 1960, Nr. 24 (Frühling in Stampa)
Bern, Kunstmuseum, Jubiläumsausstellung Cuno Amiet 1868-1961. Giovanni Giacometti 1868-1933. Werke bis 1920, 1968, Nr. 191
Chur, Kunsthaus, Jubiläumsausstellung Giovanni Giacometti 1868-1933, 1968, Nr. 62

Literature

Rudolf Frauenfelder, Giovanni Giacometti, Ausstellungskatalog, Zürich 1960, Nr. 24, abgebildet auf Umschlag
Walter Hugelshofer, 12 Reproduktionen nach Gemälden von Giovanni Giacometti aus dem Kalender für das Jahr 1961 der Schweizerischen Unfallversicherungs-Gesellschaft in Winterthur, Feldmeilen-Zürich 1961, abgebildet (in Farbe) (Frühling in Stampa)
Hugo Wagner, Jubiläumsausstellung Cuno Amiet 1868-1961. Giovanni Giacometti 1868-1933. Werke bis 1920, Ausstellungskatalog, Bern 1968, Nr. 191
Elisabeth Köhler, Jubiläumsausstellung Giovanni Giacometti 1868-1933, Ausstellungskatalog, Chur 1968, Nr. 62
Elisabeth Esther Köhler, Giovanni Giacometti 1868-1933. Leben und Werk, Zürich 1969, Nr. 484
Paul Müller/Viola Radlach, Giovanni Giacometti, 1868-1933, Werkkatalog der Gemälde, Zürich 1997, Band II-2, S. 346, Nr. 1911.31 und S. 347, abgebildet

Condition

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Catalogue Note

Am 22. Januar 1911 berichtete Giovanni Giacometti seinem Sammler und Freund Richard Bühler in Sils-Baselgia von den ungünstigen Wetterverhältnissen in Stampa, die ihn beschäftigten: «Aber auch die Sonne scheint diesjahr nicht gar freundlich gesinnt zu sein. Wir haben Nebel und oben [in Maloja, wo die Familie ein Haus besass] ist es nicht viel besser. Aber auch hier ist es eine Qual. Da fängt man eine schöne Nebelstimmung mit Reif an, am anderen Tage schneit es. Heute Morgen habe ich eine Landschaft mit Schnee angefangen. Jetzt ist der Föhn da und die schwarze Erde kommt wieder zum Vorschein. Eine wahre Qual. Und zu Hause ist das Licht auch so trostlos grau, dass mit Figuren nichts anzufangen ist.»[1] Eine Woche später nimmt Giacometti in einem Brief an denselben Adressaten das Thema des Wetters wieder auf, das ihn zeitlebens so sehr berührte, dass es in fast allen seinen Briefen zur Sprache kam. «Uebrigens haben wir hier auch bald die Sonne, wenn der Himmel klar wird»[2], schreibt er und verweist damit auf den Umstand, dass nach monatelanger sonnenloser Zeit Mitte Februar die Sonne wieder den Bergeller Talboden und somit auch Stampa erreicht. Im vorhergehenden Jahr hatte er Richard Bühler am 18. Februar davon berichtet: «Für uns sind die trüben Tage auch vorbei und die Sonne scheint nun wieder auch durch unsere Fenster. Da weiss man was für ein Leben in den Sonnenstrahlen liegt. Ich ertrage gerne die zwei Monate Schatten, um diesen Augenblick zu geniessen wo die Sonne wieder goldig reich und warm über die Berge kommt und mein Atelier überflutet. Da ist ein Jubel im ganzen Hause und sogar der kleine Bruno fühlt das ungewöhnliche der Erscheinung, freut sich über alle Masen und möchte nie von der Sonne gehen. Da weiss man was für ein kostbares Gut man hat. Die Sonne bringt Sonntagsstimmung in Herzen.»[3]

Vorfrühling in Stampa malte Giacometti gemäss einem Vermerk auf der Rückseite des Bildes im Monat März, zur Zeit der Schneeschmelze; auf unnachahmliche Weise wusste er jene jahreszeitlich bedingte Ambivalenz der Witterung in den Bergen zu evozieren, die nicht mehr Winter und auch noch nicht Frühling ist. Eisiges Blau und Türkis findet sich noch in den letzten Schneepartien, auch auf den Dächern der Häuser, warmes Gelb, Rot und Grün in den fahlen Ocker- und Grüntönen der Wiese kündigen aber schon den Frühling an. Im Vergleich zum feinlinig gestrichelten Farbauftrag der vorangehenden Jahre[4] fällt hier der breitere, weichere Pinselduktus auf. In letzter Zeit sei seine Technik «geschmolzener» geworden, so beschrieb Giacometti es anschaulich in einem Brief wiederum an denselben Adressaten Richard Bühler am 16. Juli 1911. Sein «Streben in das Wesen des farbigen Lichtes einzudringen», habe ihn über Segantini hinaus zum Divisionismus gebracht, und nun sei sein Verfahren im Grunde gleich geblieben, «nur freier und nicht mehr so ersichtlich».[5]

Wir danken Viola Radlach, Co-Autorin Werkkataloge Giovanni Giacometti und Cuno Amiet, Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft SIK-ISEA, für den Textbeitrag.

[1] Giovanni Giacometti aus Stampa an den Winterthurer Textilkaufmann Richard Bühler in Sils-Baselgia, 22.1.1911, in: Giovanni Giacometti. Briefwechsel mit seinen Eltern, Freunden und Sammlern, hrsg. von Viola Radlach, Zürich: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft/Scheidegger & Spiess, 2003, Brief 479.
[2] Ebenda, Brief 480.
[3] Ebenda, Brief 427.
[4] Siehe die Lose 26 und 61 im vorliegenden Katalog.
[5] Ebenda, Brief 497.